Im vergangenen Jahr wurde die über 350 Jahre alte Bleieindeckung des Uhrenturms am Welfenschloss Herzberg am Harz saniert. Unsachgemäße Reparaturen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben zu massiven Schäden geführt, sodass die Bleche korrodierten und die Eindeckung undicht wurde. Um zukünftige Feuchteschäden in der insgesamt 190 Quadratmeter messenden Dachfläche zu verhindern, wurden 13 Tonnen unterseitig verzinntes Kirchenblei von Röhr + Stolberg eingesetzt. Ziel: Bestmöglicher Schutz durch zeitgemäße Werkstoffe bei gleichzeitiger Bewahrung der Erscheinung des unter Denkmalschutz stehenden Daches – angefangen bei den Monogrammen des Schlossherrn aus dem 17. Jahrhundert bis zur Lage der Querfalze.
Die mehrfach eingeschnürte Welfenhaube auf dem viergeschossigen Schlossturm ist ein Schmuckstück historischer Klempnerkunst. Ein lebendiger Wechsel aus konvexen und konkaven Flächen gliedert die Oberfläche und führt von allen Seiten zu dynamischen Ansichten. Noch nie in ihrer Geschichte wurde die jahrhundertealte Eindeckung aus gegossenen Bleiblechen komplett saniert. Stattdessen wurden undichte oder korrodierte Stellen geflickt – unzählige Gravuren im weichen Blei dokumentieren das. Die älteste Gravur stammt aus dem Jahr 1820. „Viele Handwerker haben ihre Monogramme ins Blei geritzt. Die älteste Gravur, die wir gefunden haben, stammt aus dem Jahr 1820. Das ist schon etwas ganz Besonderes“, berichtet Gunnar Trull, der verantwortliche Klempnermeister. Daneben sei die alte Dacheindeckung eine eindrucksvolle Dokumentation fachlicher Fehler gewesen. Trull: „Überall an den gegossenen Bleiprofilen finden sich Flickstellen, die wie Zeitkapseln wirken. Löcher wurden zugelötet, Liegefalze und Hohlwulste verpresst oder Fehlstellen mit zusätzlichen Blechen überdeckt. In Summe haben die Reparaturen dem Bauwerk geschadet: Das Material konnte sich bei Temperaturschwankungen nicht ausdehnen, sodass es riss.“

Im Rahmen einer grundlegenden Sanierung sollten nun die Schäden behoben und dem Schloss zu ganz neuem Glanz verholfen werden. Seinen Ursprung hat der Komplex als „Reichsburg“ bereits im 12. Jahrhundert. Seit dem Jahr 1181 war die Burganlage durchgängig in Welfenherrschaft, die erst im Jahr 1866 aufgrund der Eroberung Hannovers durch Preußen endete. Den rund 37 Meter hohen Schlossturm aus dem 17. Jahrhundert schmücken kunstvolle Schnitzereien am Ständerfachwerk. Wegen seiner üppig verzierten Turmuhr wird er auch als Uhrenturm bezeichnet. Er besitzt einen quadratischen Querschnitt mit einem Erdgeschoß aus Stein und drei Obergeschossen in Fachwerkbauweise.
Historische Substanz trifft modernes Regelwerk
Weil sowohl die gesamte Gestalt der Turmhaube als auch ihre zahlreichen Details wie die Laterne mit ihren bauchigen Säulen und umlaufende Ziergesimse wichtige Zeitdokumente darstellen, nahm der Denkmalschutz bei der Sanierung eine zentrale Rolle ein. Nach strengen Vorgaben wurde ausgelotet, wie die marode Substanz entfernt und einerseits so originalgetreu wie möglich nachgebildet, dabei aber andererseits die heutigen Richtlinien erfüllt werden konnten. Kompromisse sind hier unvermeidlich. In Herzberg betraf dies vor allem die Länge der Schare. Sie mussten deutlich gekürzt werden, sodass die Querverbindungen an andere Stellen rückten. Um den ursprünglichen Eindruck zu erhalten, beließ man die sichtbaren Querverbindungen einfach im unteren Bereich der Wölbung an Ort und Stelle. So befinden sich die veränderten Querverbindungen in einem Bereich oberhalb der Wölbung, der von unten nicht sichtbar ist.

Das Beispiel dokumentiert, dass die Anforderungen des Denkmalschutzes und die modernen technischen Standards ein starkes Spannungsfeld errichten, für das ein Team ausgewiesener Experten aus Restauratoren und erfahrenen Klempnern ausgeklügelte Lösungen finden musste: Den Restauratoren oblag die Planung und die Werkstätten für Denkmalpflege GmbH Quedlinburg, eine ausgewiesene Spezialistin für historische Bauten übernahm die Ausführung der Bleiarbeiten. Der Betrieb beschäftigt Mitarbeiter aus verschiedenen Gewerken wie Zimmerer, Dachdecker, Stuckateure, Steinmetze, Tischler, Kunstschlosser und Kupferklempner. Das Know-how des Unternehmens ist im gesamten Bundesgebiet gefragt. Selbstredend wurde statt gegossener Bleischare modernes Walzblei aus dem Hause Röhr & Stolberg eingesetzt. Im Dezember 2020 sind die Arbeiten nach gut anderthalb Jahren abgeschlossen worden.
Die ausführliche Projektdokumentation lesen Sie in der nächsten Ausgabe des KlempnerMagazins.