Denkmalschutz: Nach mehr als 60 Jahren und aufwändigen Reparatureinsätzen musste die alte Bleideckung des Turmhelms der historischen St. Nicolai Kirche in Lemgo komplett erneuert werden. Für den Klempner-Fachbetrieb war damit eine besondere Aufgabenstellung verbunden: Die vorhandene Scharaufteilung des verdrehten Turmhelmes sollte weitgehend übernommen werden. Zudem galt es, 3,0 mm dicke Bleitafeln zu verarbeiten.
Die Geschichte der St. Nicolai Gemeinde Lemgo reicht bis in das 12. Jahrhundert zurück. Mit der Gründung der Stadt um 1190 wurde ihre Kirche am zentral gelegenen Marktplatz errichtet und dem Schutzpatron der Kaufleute, Sankt Nikolaus, geweiht. 1210 gilt als das Jahr der Grundsteinlegung für die St. Nicolai Kirche, die im spätromanisch-frühgotischen Stil mit zwei Türmen errichtet wurde. Einer der Türme - und dies ist eine Besonderheit – befindet sich seither im städtischen Besitz. Die Glocken stammen aus den Anfängen des 13. Jahrhunderts und zählen zu den ältesten Norddeutschlands. Seit 1527 wird in der St. Nicolai-Kirche lutherischer Gottesdienst gefeiert, deren Gemeinde heute rund 4.400 Mitglieder zählt.
Im Rahmen einer erforderlichen Sanierung des Turmkreuzes und der hierfür notwendigen Einrüstung des 65 Meter hohen Kirchturms wurde auch der Gesamtzustand der Deckung in Augenschein genommen. Es sollten schadhafte Bereiche ermittelt und bei der Gelegenheit repariert werden.
Der in Kirchenbesitz befindliche etwa 30 m hohe Turmhelm des Glockenturms mit verdrehter Turmspitze war als Tafeldeckung mit 2,5 mm dicken Bleiblechen gedeckt. Die Anordnung der Bleitafeln mit den Regelabmessungen ca. 60 cm x 85 cm erfolgte im Halbversatz. Als Befestigungsgrund bzw. Deckunterlage war eine 25 mm Eichenschalung angeordnet. Die Längsverbindung der Bleitafeln erfolgte mittels sogenanntem „Kleinen Hohlwulst“.
Querfalz ohne Dehnung
Bei der Begutachtung der Deckung unterhalb der Turmbekrönung wurde festgestellt, dass die Befestigung der Bleitafeln nur in den Querverbindungen, nicht jedoch innerhalb der Hohlwulste erfolgte. Die Ausführung der Querverbindungen erfolgte teilweise mit aufgenagelten Bleihaften, jedoch größtenteils ohne Haften bei lediglich einreihiger Nagelung. Die verwendeten ungeschützten Nägel waren überwiegend stark korrodiert. Aufgrund der unzureichenden Befestigung wurden seit der Erstdeckung 1957 zwei Sanierungsmaßnahmen durchgeführt. Die provisorischen Sturmsicherungsmaßnahmen erfolgten an den Querverbindungen mittels Dichtungsschrauben. In vielen Bereichen traten die Schrauben aus der Schalung aus und keinen ausreichenden Halt mehr. Flatterbewegungen bei Windeinwirkung konnten bald zum Abtrag zahlreicher Bleitafeln führen. Zudem ließen die Verschraubungen in den Querverbindungen keinerlei Dehnungsbewegungen der überdeckenden Bleitafeln im Querfalz zu; das weiche Bleiblech über der Fixierung wölbte sich auf. An Übergängen von der Quer- zur Längsverbindung entstanden Risse durch Flatterbewegungen und thermische Längenänderung der Bleitafeln in Querrichtung.
Im mittleren und unteren, flacher geneigten Bereich der Bleideckung, waren zwei verschiedene Techniken der provisorischen Sturmsicherung sichtbar: Die direkten Verschraubungen mit überdeckendem Bleistreifen stammten aus einer noch älteren Sicherungsmaßnahme. Die alte Sicherung aus korrodierten Nägeln wurde mit Edelstahlschrauben später nachfixiert. Einige Tafeln waren mittels durchgesteckter, quergestellter Nägel und einer Drahtlasche vom Inneren des Dachstuhls an der Schalung gesichert. Zudem rutschten aufgrund der unzureichenden Fixierung zahlreiche Bleitafeln bis zu 40 mm ab, erkennbar an stark erweiterten Nagellöchern.
Denkmalgerechte Neudeckung
Die Neudeckung erfolgt zurzeit gemäß den ZVDH-Fachregel für Metallarbeiten, Regelteil „Blei im Bauwesen“ und den Technischen Regeln Saturnblei. Die 25 mm Eichenschalung wird mit einer 30 mm Rauspundschalung aus Nadelholz überschalt und mit einer geeigneten Schalungsbahn als Trennlage und Notdeckung für die Bauphase versehen. Zur Ausführung kommt eine Blei-Tafeldeckung mit kleinem Hohlwulst und Deckmaßen in Absprache mit dem Denkmalschutz. Die erforderliche Dicke der Bleibleche beträgt 3,0 mm.
Welche Herausforderungen das Klempner-Team der Firma Prange aus Brilon bei der fach- und denkmalgerechten Bauausführung meistern musste, erfahren Sie im Teil zwei unserer Dokumentation.