Serielles Bauen: Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) ergänzte das Gebäudeensemble des „LWL-Campus“ in Münster um einen modernen Verwaltungsbau. Eine Besonderheit des Gebäudes sind rund 40 modern gestaltete und seriell gefertigte Dachgauben aus Holz und Aluminium. Das Ergebnis: enorme Zeitersparnis, wirtschaftliche Umsetzung, höchste Bauqualität.
Bislang nutzte die LWL-Hauptverwaltung 30 Gebäude für rund 2.700 Beschäftigte im Raum Münster. Doch die aktuell vorhandene Bürofläche reichte für die zahlreichen Aufgaben nicht mehr aus. Durch den Abriss eines Gebäudes 2017, in unmittelbarer Nähe des LWL-Landeshauses, standen nun rund 4.500 Quadratmeter Grundstücksfläche zur Verfügung. Der Landschaftsverband mit seinem wachsenden Flächenbedarf reagierte darauf und nutzte dies für die Errichtung eines neuen Verwaltungsbaus. Zu den Bestandsgebäuden, angeführt vom LWL-Landeshaus, rundet auf dem freigewordenen Grundstück ein L-förmiger Neubau mit begrüntem Innenhof, dessen Grundsteinlegung im Februar 2023 erfolgte, den „LWL-Campus“ ab. Die Umsetzung des Neubaus, mit dem von der Stadt gewünschten historisierenden Gestaltungsansatzes zum Landeshaus, erfolgte nach dem Entwurf der Architekten der assmanngruppe, deren münsteraner Niederlassung mit der Generalplanung des Projektes beauftragt wurde. Das neue Bürogebäude ist entsprechend der LWL-Gebäudeleitlinien nachhaltig und energieschonend errichtet. Im laufenden Betrieb liefert eine Photovoltaikanlage am Dach Solarstrom und die Bewässerung der Außenanlagen erfolgt mit Regenwasser vom Dach.
Von der Fußpfette bis zur Deckung
Eine Besonderheit des Verwaltungsneubaus ist die Dachkonstruktion mit ihren 42 Dachgauben aus Holz und Aluminium. Den Zuschlag im Wettbewerb um die anspruchsvolle Bauausführung erhielt die Saint Gobain Brüggemann Holzbau GmbH aus Neuenkirchen mit ihrem technisch ausgereiften und zudem wirtschaftlichen Konzept eines Komplettdaches – von der Fußpfette bis zur Deckung. Bereits in der Angebotsphase eingebunden war Christian Kromp, Betriebsleiter des Spezial-Metallbedachungsunternehmen Schabos Klempnertechnik GmbH aus dem nahegelegenen Nordwalde. Denn neben den Holzbau- und Dachdeckungsarbeiten mit Tonziegeln galt es, die architektonisch gestalteten Dachgauben gleicher Bauweise mit Metall zu bekleiden. Im Vergleich zu den Walmdachgauben des LWL-Landeshauses als Hauptgebäude stellen die aneinandergereihten Gauben in den Steildachflächen des neuen Campus lediglich in ihrer Anordnung eine Analogie zum Bestand dar. Das neue kubische Großformat in der Formensprache moderner Architektur erfüllt gleichzeitig die Nutzungsanforderungen des Dachraumes für die geplanten Büro- und Sitzungsräume.
Dachstühle im Baukastensystem
Das Neubauprojekt LWL Campus mit seiner hohen Anzahl sich wiederholender Details und Arbeitsprozesse war exakt das passende Format für die zwei erfahrenen Dach-Handwerksunternehmen. Sie arbeiten nun einmal in witterungsabhängigen Baugewerken und wissen deshalb genau, wie man Baustellenzeiten auf ein Minimum reduziert. Serielles und Modulares Bauen sind die Zauberworte, um die es dabei geht – ein Produktionsverfahren, das die Firma Brüggemann Holzbau bereits seit Jahren anwendet und professionalisiert hat, wie Architekt Thomas Pier bei Brüggemann Holzbau erläuterte: „Bereits seit vielen Jahren fertigen und montieren wir individuelle Dachstühle im Baukastensystem mit modernen Abbundmaschinen und in jeder Projektgröße. Heute entstehen in unseren witterungsgeschützten Produktionshallen bei Bedarf komplette Raummodule in exakt aufeinander abgestimmten Arbeitsschritten. Im Werk erbringen wir dabei bis zu 90 % der erforderlichen Bauleistungen. Durch unsere digitalisierten Fertigungsprozesse können wir zudem beste Ausführungsqualität gewährleisten. Das Verfahren haben wir in Zusammenarbeit mit den Kollegen der Firma Schabos auch beim Dach des LWL Campus erfolgreich angewendet“, schildert Thomas Pier.
Bekleidung mit Einsparpotenzial
Der allgemeine Baukostendruck infolge gestiegener Rohstoffpreise als Nachwirkungen der Corona- und Energiepreiskrise erforderte, die geplante Dachkonstruktion vor dem Baustart noch einmal genau unter die Lupe zu nehmen. „Es ging darum zu schauen, an welcher Stelle einfacher gebaut werden kann, dies jedoch ohne Qualitätsverlust und möglichst ohne die gewünschte Architektur zu beeinflussen“, schildert Klempnermeister Christian Kromp, Betriebsleiter bei Schabos. „Ursprünglich waren die Bekleidungen der Dachgauben als Kassetten mit 3,0 Millimeter Aluminium einschließlich der erforderlichen Unterkonstruktion aus Alu-Strangpressprofilen geplant. Unser Alternativvorschlag war, anstelle der Metallbau-Lösung die Bekleidung in Klempnertechnik aus 0,8 Millimeter Aluminiumprofilen auszuführen. Dies hatte zudem logistische Vorteile, da wir hierfür alle Bauelemente selbst vorfertigen können und nicht auf Fremdleistungen angewiesen sind. An einem maßgetreuen 1:1 Gaubenmodell von der Firma Brüggemann haben wir einige Details ähnlich einem Schindelsystem, jedoch mit durchgesetztem Einhangfalz hergestellt. Man nennt dies auch „Flatlock-System“. Damit konnten wir das vorgesehene Fugenbild des ursprünglich geplanten Kassettensystems nahezu 1:1 umsetzen. Aufgrund der Materialeinsparung, einer vereinfachten Profilherstellung und der direkten Montage auf der Holzschalung mit Trennlage ist es uns letztendlich gelungen, die Kosten für die Gaubenbekleidungen erheblich zu reduzieren. Nach der Begutachtung der Modellgaube von den Architekten der assmanngruppe und der erzielten Kostenreduzierung fand die neue Variante auch die Zustimmung der Bauherrschaft. Somit konnten wir mit der Arbeit beginnen“, schildert Christian Kromp.
Ästhetik im Flatlock-System
Beim Flatlock-System (Flat = flach / lock = einhaken, einrasten) liegen die Falze der Bekleidungselemente flach auf der Deckunterlage und erzeugen eine ebene, minimalistische Optik. Bedeutendes architektonisches Element für die Gauben des LWL Campus war die Farbkomposition von Mauerwerk, Ziegeldeckung und Gaubenbekleidungen im Spektrum um Kupferrot. Für Gauben, Dachentwässerungselemente, Anschlussbleche und sonstige Metallverwahrungen lieferte Hersteller Prefa Wasungen sämtliches Material - insgesamt 4,5 Tonnen - im projektbezogenen Sonderfarbton „Prefa Alesta Oxide 1“. Dies sollte den Kupferton in der fortgeschrittenen Oxidierungsphase mit leichtem Kupferglanz nachstellen.
Hightech für das Blech
Mit der Baufreigabe ging es in die Feinabstimmung für die Serienproduktion. Dabei waren 100 Prozent Detailtiefe in allen Anschlusssituationen gefordert – von der Schnittstelle Ziegeldeckung / Gaubenbekleidung bis zu den Fensteranschlüssen mit Leibungen, Fensterbänken und Sonnenschutztechnik. Für die werkstattmäßige Produktion der über 1.000 Fassadenprofile setzte der Klempnermeister Hightechmaschinen ein, beispielsweise einen Trumpf-Stanzautomat für die passgenauen Zuschnitte und Falzausklinkungen. „Für die automatische Profilierung des Flatlock Falzprofils sorgte unser einfallsreicher und engagierter Werkstattmitarbeiter Matthias Klang. Er verpasste dem Profilierkopf des Rollformers von KNOLL kurzerhand eine Schlittenkonstruktion mit pneumatischen Vor- und Rücklauf. Sie funktioniert perfekt, sicher, störungsfrei und ersparte uns ermüdende Handarbeit“, lobt Christian Kromp. Der Profilierkopf funktioniert im Prinzip wie eine Sickenmaschine. Für die meisten im Markt bekannten Biegemaschinen gibt es dazu passende Laufwagen oder Adapterlösungen. Sie können an einem bereits vorhandenen Schneidschlitten befestigt werden.
Fazit: Sicher planen, seriell bauen
Klempner- und Spenglerfachbetriebe sind mit ihren vielseitigen Fertigkeiten in der Lage, für alle Bausituation kreative Lösungen zu finden. Das gilt auch in Zeiten des Fachkräftemangels. Mit der passenden maschinellen Ausrüstung und digitaler Bauplanung gelingt es heute vielen Unternehmen, darauf passend zu reagieren - wie auch beim neuen Gebäude auf dem LWL Campus.
Lesen Sie den vollständigen Fachbericht in KempnerMagazin Ausgabe 1/2025.




